Brienne

Brienne

Heimat meiner Eltern und Großeltern

Inmitten eines überwältigenden Ausblicks vom „Brienner Berg“ über die kraftvolle und weite Steppenlandschaft des Budschaks, erstreckt sich die Kolonie Brienne am Steppenfluss Kogelnik.

Landschaft Brienne, Bessarabien

Ein Blick vom Brienner Berg auf die Kolonie Brienne

Prächtige Weingärten und fruchtbare Obstgärten, rechts und links der breiten Chaussee weiße aus dem Muschelkalkstein des Brienner Steinbruchs erbaute Häuser mit weißen und schnurgeraden  Hofmauern, prägten einst das Bild der Kolonie „Brienne“.

Dahinter in greifbarer Nähe, durch den Kogelnik getrennt, liegt die Nachbarkolonie Arzis im Tale. Die häufigen Überschwemmungen des immer wieder über die Ufer tretenden Kogelniks konnten die Brienner, im Gegensatz zu den Arzisern, unbesorgt aus der Anhöhe betrachten.

Der Name Brienne sowie Arzis leitete sich von den gewonnenen Schlachten durch die Verbündeten gegen Napoleon, im Jahre 1812 ab.

Im Jahre 1816 erfolgte die Gründung Briennes. Eine baumlose Steppe, die „Steppe Nr. 15“.

Bald schon wich der Notbehelf ihrer Erdhütten, massiven Steinhäusern durch den Abbau im eigenen Steinbruch, der Brienner Berge.

Die Einnahmen des Steinbruchs für den Hausbau ihrer eigenen Kolonie und den unmittelbaren Nachbarorten, verhalfen der Gemeinde zu einem guten Einkommen. Lehm bzw. Batzenbauten gehörten in Brienne bald weitestgehend der Vergangenheit an.

Kurganhügel Brienne, Bessarabien

Kurganhügel in Brienne

Ein zwischen vorderer Hofmauer und Wohnhaus angelegtes Blumengärtchen schmückte ihre Häuser.

Jeder Hof der Bessarabiendeutschen Kolonisten hatte eine Größe von 232 m Länge und 47 m Breite. Eine Hof- und Straßenmauer zog sich vor der mehr als 20 Meter breiten Dorf-Chaussee von Hof zu Hof. Die Wohnhäuser mit anschließenden Wirtschaftsgebäuden, lagen nur einige Meter von der vorderen Hofmauer getrennt. Ebenso schützte eine hintere Hofmauer, den Hof vor Eindringlingen.

Außerhalb dieser rückwärtigen Umzäunung befand sich der Dreschplatz, die Spreuhütte, der Strohschober , der Gemüse- und Obstgarten- sowie in Hanglage der Weingarten.

Von der Akazien gesäumten 2,5 Km langen Chaussee führten Wege in die Nachbarkolonien Pawlowka, Teplitz und über den Berg in die Tochterkolonie Neu Brienne.

Mit ihrem Steinbruch besaß die Gemarkung Brienne 5560 Hektar Land, sodass die ersten 84 Ansiedlerfamilien jeweils 60 Hektar Land erhielten.

Weitere Infos finden Sie hier: https://www.bessarabien.blog/bessarabiendeutschen

Die Anhöhe Briennes bot alle Voraussetzungen für einen guten Obst-  und Weinanbau. Ebenso spielte die Pferdezucht eine ausschlaggebende Rolle und war wirtschaftlich lukrativer als die Landwirtschaft.  Man sagte, nur von den Friedenstalern konnte die Pferdezucht übertroffen werden.

Durch den wirtschaftlichen Umschwung nach dem Ersten Weltkrieg, konnte Brienne durch die Züchtung vom graublauen Steppenrind auf das das Rassevieh eine beträchtliche Neueinnahme verzeichnen.

Mit dieser Entwicklung konnten die Brienner die Milchproduktion enorm steigern und damit den Weg zur Gründung der Molkerei- und Milchgenossenschaft „Danemarka“ ebnen. Mein Großvater, Eduard Schell aus Brienne, war im Nebenerwerb als Landwirt Angestellter dieser Molkerei.

Aber auch im Handwerk verzeichnete Brienne einen wirtschaftlichen Aufschwung. Dreizehn Tischlereien, vier Schmieden, drei Schlossereien, acht Schuster, sieben Schneider, sechs Maurer, drei Böttcher, einen Drechsler, einen Uhrmacher und zwei Kolonialgeschäfte konnten die Brienner im Jahre 1940, ihr Eigen nennen. Mit einem Spaziergang in den zwei Kilometer entfernten Marktflecken Arzis, erledigten die Brienner alle notwendigen Einkäufe auf die Schnelle.

Im Jahre 1839 begannen die Brienner mit dem Bau ihrer ersten Kirche.

Allerdings musste, mit dem Ausbruch der Pest, dieser Bau bis zum Jahre 1849 zwangsläufig unterbrochen werden. Erst im Jahre 1852 fand die Einweihung statt. Nur leider war ihre Kirche, durch die zwischenzeitlich stark angewachsene Bevölkerung, schon wieder zu klein.

Ein neuer Kirchenbau war finanziell nicht möglich. Die Kolonie musste vorrangig in ein neues und größeres Schulgebäude investieren. In ein allen Anforderungen entsprechendes Schulhaus, im Jahre 1904, flossen ihre mittlerweile angesparten 9000 Rubel aus dem Kirchenbaukapital. Ein Erweiterungsbau auf dem Schulhof, die Küster- und Küstergehilfenwohnung, wurde von der Gemeinde im Jahre 1908 fertiggestellt.

Erst im Jahre 1934 wurde in Brienne der Grundstein für einen großen und teilweise im gotischen Stil gehaltenen Kirchenneubau gesetzt. Der Rohbau mit den eingesetzten Fenstern war mit 1,5 Millionen Lei abgeschlossen.

Dann kam die Umsiedlung!

Als Hauptgemeinde gehörte Brienne, seit der Gründung des Kirchspiels, zu Arzis. Bis heute ist die Schule Briennes, in der Dorfmitte eine Augenweide. Die alten Dielenbretter, der alte Ofen im Klassenzimmer und der Nuschnik auf dem Schulhof, „deutsche Geschichte“. Die heutige Bevölkerung setzte sich für für den Erhalt dieses wunderschönen Gebäudes ein. Einst von meinen Ahnen erbaut, lehren sie dort auch heute ihre Kinder. Sie gaben dem Gebäude einen hell leuchtenden Anstrich.

Auf einer Anhöhe oberhalb des Gässles liegt der ehemalige deutsche Friedhof. Verborgen zwischen hohem Gestrüpp und Buschwerk befinden sich die Gräber meiner Ahnen. Einige Grabsteine liegen verstreut am Abhang. Über die Jahrzehnte hat die Witterung die Lesbarkeit der Inschrift beeinträchtigt, aber nicht unmöglich gemacht.

Sehr viele Häuser haben durch den soliden Steinbau die Zeit gut überlebt. Mit einem Brienner Ortsplan ist es kein Problem die ehemals deutschen Anwesen den früheren Besitzern zuzuordnen.

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Bessarabien 1916

Bessarabien-1916. Tief berührt, mit roten Wangen und großen staunenden Augen lauschte ich im Alter von zwölf Jahren einer Erzählung meiner Familie in unserem Zuhause in Niedersachsen, die sich 1916 in Bessarabien an Weihnachten ereignet hatte.  Dieses Weihnachtswunder geschah in der Jahreswende 1916 / 1917, kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges in Bessarabien.

Einführung in die Geschehnisse

Seit der Aufhebung vom Militärdienst im Jahre 1874 mussten die deutschen Kolonisten für den russischen Zaren in den Krieg ziehen. Zahllose deutsche Männer und Söhne kämpften an der russischen Front.(S. Privilegien unter:) https://www.bessarabien.blog/privilegien/ Mit der Kriegserklärung Deutschlands an Russland, am 1. August 1914 wurden die Deutschen Ethnien in Russland über Nacht zum Staatsfeind und zu Kollaborateuren, Spionen und Verrätern erklärt. Unter diesem Deutschenhass und Neid litten neben den Soldaten ebenso die daheimgebliebenen Frauen, Kinder und die Betagten. Unerträglich wurde das Leben der deutschen Kolonisten in Russland.

Feinde des Zarenreiches

Mit dem Verbot der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit, einem Versammlungsverbot von mehr als zwei deutschen Männern innerhalb und außerhalb ihrer Wohnungen, Schließung ihrer deutschen Schulen ab 14. Juli 1914, Enteignung und Zwangsverkauf ihres Grundbesitzes durch das II. Liquidationsgesetz, Verbot ihrer Muttersprache in der Gottesdienstpredigt und einem Leseverbot deutscher Zeitungen und Bücher, wurden sie zu Staatsfeinden im Zarenreich. Wiedersetzungen wurden mit hohen Geldstrafen, durch stationierte russische Beamte geandet. Dieses alles waren jedoch nur Vorboten auf das Unbegreifliche was den Bessarabiendeutschen noch bevorstand.

Deportation nach Sibirien, im Januar 1917

Die Deportation der Bessarabiendeutschen nach Sibirien wurde für den Januar 1917 beschlossen und die Besitzurkunden unserer Vorfahren eingezogen. Für die Zwangsevakuierung und den Abtransport nach Sibirien wurden Gütereisenbahnwaggons in den Bahnhöfen der deutschen Kolonien bereitgestellt. Mit leeren Händen waren sie vor 100 Jahren in die wilde Steppe Bessarabiens gerufen worden und mit leeren Händen sollten sie ihre „so lieb gewordene Heimat“ wieder verlassen. In dieser Tragik lag ein grenzenloser Schmerz und ein schier unerträgliches Leid.

Bessarabien 1916: Ein allerletztes gemeinsames Weihnachtfest

Jesus Christus

Unfassbar, ein allerletztes Weihnachtsfest sollten sie noch in der Gemeinschaft ihrer bessarabiendeutschen Brüder und Schwestern feiern dürfen. In diesem Leid bereiteten sie sich auf das letzte Weihnachtsfest vor. Am „Heiligen Abend“ des 24. Dezember 1916, versammelten sich alle Kolonisten in ihren Kirchen und beteten ihren ganzen Schmerz himmelwärts. Tränen flossen in Strömen und ihre Gebete erhoben sich zu Gott. Es war das schmerzlichste und größte Weihnachtsfest in der Geschichte Bessarabiens. Fest im Glauben und mit leeren Händen standen sie vor dem Kreuz Jesus Christus. Hier brach sich ihr Schmerz seine Bahnen zum Höchsten. In seine Hände befohlen sie ihren Geist. In Hoffnung und tiefem Glauben an Gott und Jesus Christus feierten sie das letzte Weihnachtsevangelium in Bessarabien.

Gott erhörte ihre Gebete

Gott erhörte ihre Gebete, ließ ein Wunder geschehen und errettete seine Kinder vor der Verbannung nach Sibirien. Und so geschah es: Um Mitternacht des 24. auf den 25. Dezember 1916 in Bessarabien, begann es zu schneien. Es schneite stunden-, tage-, und wochenlang. Es wollte gar nicht aufhören! Ihre Häuser versanken in den Schneemassen. Alle Dörfer waren voneinander abgeschnitten und ein Durchkommen unmöglich. Dieses Wunder Gottes hielt bis Ende Februar 1917 an. Die Eisenbahnwaggons waren völlig eingeschneit und der Zeitraum für die Evakuierung überschritten.

Im Februar brach die VI. russische Armee zusammen. Die ausgehungerten und waffenlosen Krieger traten den Rückzug an. Sie fanden Unterschlupf in den leeren und zur Evakuierung bereitgestellten Güterwagen und wurden zudem in den deutschen Kolonien, in ihren warmen Stuben, mit Kleidung und Nahrung versorgt.

Durch die russische Revolution im März 1917 und das Abdanken Nikolaus II wurde das Zarenreich aufgelöst. Erst jetzt konnten die Deutschen in Bessarabien nach langen und bangen Monaten der Ungewissheit „wieder aufatmen“. Sie erhielten ihre Besitzurkunden zurück und durften bleiben. Dieses Gotteswunder geschah Weihnachten in Bessarabien 1916. Und Wunder geschehen täglich auf der ganzen Welt. Wir müssen nur daran glauben und sie sehen wollen.

Gesegnete Weihnachten

Ihre Christa Hilpert-Kuch

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Kindheitsträume

Kindheitstraeume der ersten Lebensjahre in Bessarabien.Wohlbehütet in der Kinderplacht

Kindheitstraeume in den Kolonistenfamilien in Bessarabien. Eltern und Großeltern hatten in Bessarabien ein zuversichtliches Lebensgefühl. Der Sinn des Lebens war durch ihren Glauben und die bäuerlichen Verhältnisse geprägt. Diese Grundwerte übertrugen sie auch auf ihre Kinder und die Jugendlichen.

In den Kolonistenfamilien war Kinderreichtum ein natürlicher Wunsch. Getragen und gehalten, fest gewickelt in eine Placht, am Herzschlag der Mutterbrust, erlebte der Säugling die göttliche Ordnung im Rhythmus, der Nähe und Zuneigung der Mutter. So konnte auf diese Weise eine enge Mutter- Kind-Bindung entstehen und entscheidend zur Festigung eines gesunden Urvertrauens beitragen. In einer klaren Rollenverteilung, waren der Haushalt und die Kindererziehung reine Frauensache. War das Kleinkind von der Mutterbrust entwöhnt, wurde überwiegend die Betreuung durch die älteren Geschwister übernommen. Kindergärten waren nur in ganz wenigen Kolonien vorhanden. Ebenso verhielt es sich mit der Kleidung der älteren Geschwister, in welche die jüngeren nach und nach hineinwuchsen. Auch das selbst gefertigte Spielzeug wurde durch die verschiedenen Altersstufen in der Kinderschar weitergegeben. In ihren unbeschwerten Kindheitstagen streunten die Kleinkinder barfuß an den langen Sommertagen auf den Höfen mit der Sommerküche, dem Garten oder in der Umgebung umher. Badevergnügen am SteppenflussZu ihren Kindheitsträumen gehörte auch eine heile Tier- und Pflanzenvielfalt. Heller und bunter Vogelgesang, Schilfrohr, Binsen und Hartgräser an Bächen und Tümpel, lieferten inmitten einer intakten Natur, reichlich sinnvolle Entwicklungsspielräume. An heißen Sommertagen boten die Steppenflüsse mit ihren breiten Ufern an den Kolonistendörfern, allerlei Vergnügen für jung und alt.

Das Gänsehüten

Zu einer der schönsten Erinnerung vergangener Kindheitsträume gehörte auch das sorgenfreie Gänsehüten. Es war eine der ersten Aufgaben des Kindes und diese war gleichsam mit großer Freude und Spaß verbunden. Denn für die auf der Gänseweide zusammenkommenden Buben und Mädchen, war es mit allerlei Kinderspielen, wie z. B. der „Sauhirt“, u. v. m. verbunden. Ganz nebenbei bereitete es häufig große Mühe, die auf Wanderschaft bedachten Gänsemütter mit ihren Küken in der Nähe zu halten. Gern erinnert man sich an die vielen Akazienbäume mit ihrem wohlschmeckendem Blütennektar. Weitere beliebte Köstlichkeiten des Sommers und auch ein Ersatz für Süßigkeiten boten die ausgegrabenen Süßholzwurzeln, ein Stückchen Zuckerrohr, verschiedene Früchte aus dem Sommergarten wie u. a. die vollreifen Aprikosen, oder die allersüßesten Melonen. Gerade die „Arbusen“ hatten es den Kindern angetan und wurden gegessen, bis der Bauch sich wölbte. Ebenso waren die von den Dächern herabhängenden Eiszapfen im Winter ebenfalls begehrter Zeitvertreib und diente als Lutschstange.

Die wichtigste Mahlzeit des Tages war das Mittagessen der ganz selbstverständlichen bessarabischen Bio-Küche- ohne lange Transportwege. Auf diese kulinarischen und saisonalen Besonderheiten eines gemeinsamen Mahles freute sich die ganze Großfamilie. Die Nahrung war ohne Düngung und frei von jeglichen Zusätzen. Eine einzigartige Mischung, aus dem Schwäbischen, Russischen, Ukrainischen, Rumänischen und anderen fremdstämmigen Mitbewohnern. Ihre Weizenfelder füllten ihre Mehltruhen und die Geflügel und Haustierhaltung versorgte die Familie mit Eiern, Milch und Fleisch. Waren Verwandte zu Besuch auf dem bäuerlichen Hofe, fand sich die Kinderschar glücklich und zufrieden an den separaten sogenannten „Katzentischen“

zum gemeinsamen Mahl. Welch eine Freude…..!

Aus den Überlieferungen der Generationen in Bessarabien,

hatten die Kinder zu gehorchen, sich brav und ruhig zu verhalten und nicht den arbeitenden Erwachsenen im Wege herumzustehen. Durch die patriarchalische Ordnung, in der die Deutschen in Bessarabien lebten, geprägt von harter Arbeit und Sparsamkeit, erfuhr die Kinderschar „vom Vadder“ , durch seine harte Hand und oft viel zu früh, eine Vorbereitung auf ihre zukünftige Lebenswirklichkeit. Auch heute noch sprechen die betagten Alten über ihre unbeschwerten Kindheitstage in der alten Heimat, insbesondere im Vorschulalter. Mit verträumten Blicken beginnen sie zu schwärmen und lassen ihre Kindheitsträume wieder aufleben. Oft heißt es dann: „Was hatten wir doch für eine wunderschöne Kindheit in Bessarabien. Und diese tief verwurzelten Erinnerungen hätten sie stets begleitet und durch viele Höhen und Tiefen ihrs Lebens getragen“.

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Gesellschaftliche Stellung der Frauen in Bessarabien

Bauernhaus in Lichtental gesellschaftliche-stellung-der-frauen-in-bessarabien.   Wie war die gesellschaftliche Stellung der Kolonistenfrauen? Welche Rolle nahmen die Bäuerinnen in der 125-jährigen Siedlungsgeschichte in Bessarabien ein? Definierten sie sich nur über das Weben, Stricken oder Nähen? Oder waren sie nur einfach, schlicht und fromm?

Christina Kuch, Eltern Volz+Breitmeier27.5.1887, Großmutter von Christa Hilpert-Kuch Weit über dieses hinaus bekannten sie sich getreu und voller Pflichterfüllung zu ihrem eigenen Volkstum und zu ihrer Rolle als getreue Ehefrau, Hausfrau aber vorrangig als Mutter großer Kinderscharen, von bis zu zehn Kindern und mehr. In reiner Pflichterfüllung und Unterordnung war ihr Leben auf ihren Ehemann ausgerichtet. Ebenfalls sehr ernst nahmen sie die Verpflichtungen ihre Kinder zu gläubigen, fleißigen und rechtschaffenden Menschen zu erziehen. gesellschaftliche-stellung-der-frauen-in-bessarabien.  Kinderreichtum war demzufolge in Bessarabien mit eigenen Arbeitskräften gleichzusetzen.  -Obendrein sahen sie ihre fortwährenden Schwangerschaften, „ohne zu klagen“, als Segnung Gottes und als Notwendigkeit im Kreislauf der Zeit bedingungslos an. gesellschaftliche-stellung-der-frauen-in-bessarabien.  Beten, danken und arbeiten“ bestimmten ihren Tagesablauf – weit über Haus, Garten und Hof hinaus.               


Frauen auf dem Feld in Brienne

Abgesehen von einer Minderheit bäuerlicher Betriebe, welche sich wirtschaftlich Dienstboten und Knechte erlauben konnten, musste die Mehrheit der Frauen, auch noch hochschwanger bis kurz vor dem Geburtstermin zur Saat- und Erntezeit, harte Männerarbeit auf den Feldern leisten. Durch ihre vielen Geburten, ohne ärztliche Versorgung, war die Sterblichkeitsrate der Ehefrauen und auch die der Kleinkinder entsprechend hoch. Im Folgenden blieben viele Kinder als Halbwaise – oder Vollwaise durch einen ebenfalls frühen Tod des Vaters zurück. Die hinterbliebenen Kinder wurden auf die Verwandten verteilt oder fielen einer Stiefmutter durch eine rasche Heirat des Vaters zum Opfer.   —Natürlich gab es auch Stiefmütter die sich liebevoll um die Kinder ihres neuen Ehemannes kümmerten.

          Heirat ohne Zwang

Immerhin wurde in Bessarabien keine Frau zur Heirat gezwungen. Sie hatte die Qual der Wahl:  – Entweder als Unverheiratete gesellschaftlich nicht zu existieren oder kindergebärend arbeiten bis zum Umfallen und dabei mittel- und rechtlos, aber an der Seite eines Mannes zu leben. Denn mit ihrer Heirat begab sich die Kolonistenfrau aus der Abhängigkeit ihres Elternhauses, freiwillig und direkt, in die eines in der Mehrzahl despotischen bessarabiendeutschen Mannes.

Infolge der Heiratsurkunde erging auch sogleich ihre elterliche Mitgift an das Vermögen des Gatten über. Sie selbst blieb in dieser Ehegemeinschaft „mittel- und rechtlos“!

Aug um Aug

standen die Kolonistenfrauen treu zu ihrem Volkstum und erkannten mit dem Einverständnis zur Ehe auch ihre große, entscheidende Rolle zu allem Geschehen in Bessarabien.  –Mit ihrem Fleiß, ihrer Körperkraft und ihren seelischen Stärken, beteiligten sie sich am Mehren des Wohlstandes ihrer großen Familie.

Unermüdlich bewegten sie sich in einem selbstlosen und überlebenswichtigen Einsatz zur bessarabiendeutschen Gemeinschaft. Neben der Hauswirtschaft mit Blumen-,Gemüse-,Obstgarten; dem Verarbeiten und Fermentieren von Obst und Gemüsesorten für den Winter; dem Brotbacken und Essen kochen für ihre großen Familien – auch in der beliebten Sommerküche; dem Wäschewaschen; am Spinnrad; dem Webstuhl; der Strick- und Näharbeit für die ganze Familie und für die Ausstattung im Haushalt; der mütterlichen Fürsorge für die große Kinderschar oder auf dem Dreschplatz, widmeten sie sich zusätzlich der umfangreichen Geflügel- und Schweinezucht sowie ihrer Molkereiwirtschaft. 

Bauerngehöft mit SchöpfbrunnenFrauen bei der Herstellung von Lehmziegel/Batzen

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 (Die Bäuerin hatte es im Winter umso schwerer)

Jeder Tag der Bäuerinnen war von morgens früh, bis abends spät, angefüllt mit wichtigen und lebenserhaltenden Aufgaben. Von ihrer Gesundheit und Schaffenskraft hing der Wohlstand ihrer Familie ab. Aber auch ihr eigenes gesellschaftliches Ansehen erwuchs darüber hinaus, innerhalb ihrer Kolonistengemeinde.

Dieses erfüllte sie mit einem besonderem Stolz und es war ein verdienter Lohn für alle ihre Einsätze und Mühen.

Die gesellschaftliche Pflege über ihre Familie zu Freunden, Nachbarn und Verwandten waren für sie wichtige Kraftquellen. Für das gesellige Miteinander musste immer eine Zeitreserve bleiben.

Sprachlos über diese für mich „wahren Heldinnen der bessarabiendeutschen Siedlungsgeschichte“ verneige ich mich voller Hochachtung und frage ich mich:

Wie war es ihnen noch gelungen auf dem Hofbänkle an der langen Chaussee, ein Stündchen schwätzend mit dem Ehemann oder einer Nachbarin, zu verweilen?“

Christina Kuch, Eltern Volz+Breitmeier27.5.1887, Großmutter von Christa Hilpert-KuchChristine Kuch, geb. am 27.05.1887

Brienne/Bessarabien

Eltern: Katharina Breitmeier u.

Joh. Volz/

Großmutter von: Christa Hilpert-Kuch                     

Foto:1940 im Lager

 

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Dahoam – mit Pudelkapp und Fell-Gamaschen

Dahoam-mit-pudelkapp-und-fell-gamschen

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Kalt war der Winter „Dahoam in Bessarabien“. Soweit das Auge reichte zeigte er sich in einem schneeweißen Kleide. Über Wochen bedeckte eine dicke Schneedecke die weite Steppe. Dahoam-mit-pudelkapp-und-fell-gamaschen, in den deutschen Kolonien Bessarabiens. Die breiten und langen Chausseen in den Dörfern boten dem eisigen Wind einen kraftvollen Atem. Ungestüm pfiff er den Menschen unter ihrer wärmenden Pudelkapp um die Ohren.  Den Menschen rieb er rote Wangen ins Gesicht. Diese Färbung wurde allgemein als gesunde Gesichtsfarbe gedeutet, besonders wenn noch ein dicker Pelz den Körper warm umhüllte. Für trockene

warme Füße und Beine, sorgten lange Fell-Gamaschen über dem Schuhwerk. Sie boten Schutz vor Frost und Schnee.

Dahoam-mit-pudelkapp-und-fell-gamaschen.

Viel zu hart war die Arbeit innerhalb des Jahres und nun wo die Feldarbeit ruhte, konnte sich der Bauer eine kurze Atempause gönnen. Besonders hingebungsvoll widmete er sich jetzt mit einer besonderen Fellpflege „seinen geliebten Pferden“. Sie waren seine „treuesten Freunde“ und wurden von ihm mit bestem Futter versorgt. Nach getaner Stallarbeit hatte er Zeit und Muße sich im Laufe des Tages mit seinen Freunden, Nachbarn und Bekannten auszutauschen.

Mit Pudelkapp und Fell-Gamaschen

fühlte er sich dem stärksten Schneesturm gewachsen. Bei seinen Besuchen erfuhr er Neuigkeiten aus der Gemeinde, tauschte sich über die Bearbeitung seines Ackerbodens aus oder erfuhr die neuesten Meldungen der soeben eingetroffenen Zeitung. Es wurde diskutiert und ausgetauscht. Und um die Freizeit so richtig zu genießen, zeigte sich die Bauer einer Einladung gegenüber einem guten Tropfen Wein, nur selten abgeneigt. Es konnte geschehen, dass bei dieser Gelegenheit Zeit und Raum und die wartenden Lieben „Dahoam“ vergessen wurden.

dahoam-mit-pudelkapp-und-fell-gamaschen

dahoam-mit-pudelkapp-und-fell-gamaschen                             Einen guten Vorrat besten Weines, aus dem eigenen Weinberg, konnte jedes bäuerliche Anwesen sein Eigen nennen. In großen Fässern lagerte der Wein in ihren tiefen Außenkellern und wartete auf die Verkostung. Damit bestens versorgt, durfte der Winter auch mal gern etwas länger dauern. Diese Annehmlichkeiten der Winterzeit entschädigten so manchen Bauern für die großen Anstrengungen und Entbehrungen, der vergangenen Monate.

Dahoam-mit-Pudelkapp-und-fell-gamaschen.

Die Bäuerin hatte es im Winter umso schwerer

mit ihrer Großfamilie. Die Fertigstellung einiger Arbeiten während des laufenden Jahres, mussten aus Zeitmangel auf die Wintermonate verschoben werden. Zu den ohnehin täglichen Aufgaben wie das Reinemachen, Kochen, Waschen, Flicken und Stricken, gesellte sich in den Wintermonaten das Verarbeiten der Wolle mit Spinnen und Weben u. v. m.  Der gebrochene Flachs und Hanf aus der Sommerernte wartete auf seine Verarbeitung. Das unermüdliche Surren des Spinnrades war im ganzen Haus zu hören. Säcke für die Erntevorräte, Strohsäcke für die große Familie und Plachten für den Dreschplatz mussten gewoben und genäht werden. Fast ununterbrochen lief der in der Küche aufgestellte Webstuhl. Zu den absoluten Pflichten einer Hausfrau in Bessarabien gehörte das Weben. Es war ein lebenserhaltenes  „MUSS“ dieses Handwerk frühestmöglich an die heranwachsende Tochter weiterzugegeben, das Handwerk zu erlernen. Seit dem Sommer warteten Berge an bereits gewaschener Schafwolle auf ihre Veredelung und die unterschiedlichste Verarbeitung. Strickkleidung, Häkelarbeiten, Steppdecken, handgewebte feine Stoffe, Läufer, Fußteppiche und Klöppelarbeiten mussten daraus hergestellt werden. Unermüdlich reihte sich eine Arbeit an die andere.

Die Hände der Bäuerin und Töchter fanden im Winter keine Ruhe.

Bei all ihrem Einsatzes verstanden es die Frauen in Bessarabien dennoch herrliche und unvergessene Winterabende zu arrangieren. Verabredungen, teilweise mit dem Ehemann und dem Spinnrad oder dem Strickzeug unter dem Arm, bei Freunden, Nachbarn und Bekannten wurden am Abend mit gebratzeltem Mais (in heißem Sand gebratene Maiskörner) und beim Sonnenblumenkörnernknacken sehr genossen.  Gred wurd über des und sell“ und vor allen Dingen wurde das eine oder das andere Lied gesungen. So z. B. folgendes: „Ich bin das ganze Jahr vergnügt.….“ etc.. Spätestens, wenn die Uhr dann 22 oder 23 Uhr angezeigte, verabschiedete man sich in dem Bewusstsein  „wieder einen schönen Abend verbracht zu haben“.

Unerschütterlich und getragen von Hoffnung und Glauben, fest verankert in ihrem deutschen Gemeinwesen von „Dahoam, dem Großdeutschenreich“, lebten und arbeiteten die Bessarabiendeutschen in der Fremde, bis zu ihrer Umsiedlung, im Jahre 1940. https://www.facebook.com/christa.hilpert.7

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Bessarabien im Winter

Wintervergnügen in Bessarabien

Bessarabien im Winter

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bessarabien-im-winter  Das man mit einem baldigen Wintereinbruch rechnen musste, erkannte man an den schnell hervorgeholten Karakulfellmützen der Bauern. Väterchen Frost wollte Einzug halten! Über Nacht hatte sich der Übergang vom Spätherbst zum Winter vollzogen. Ein eisiger Ostwind aus der weiten Steppe Russlands fegte ungebremst in die Kolonien. Dieses vollzog sich innerhalb von wenigen Tagen und verwandelte „Bessarabien im Winter“ zu einer Oase der Ruhe. Schon nach wenigen Tagen brach reichlich Schnee und Eis über die Dörfer und Felder herein und hüllte Bessarabien in ein weißes Kleid.

Viel zu hart war die Arbeit innerhalb des Jahres und nun wo die Feldarbeit ruhte, freute man sich auf eine kurze Atempause und ein wenig Freizeit zum Kräftesammeln.bessarabien-im-winter. Das Wintervergnügen konnte beginnen. Dazu zählte auch das „Schlittenfahren“. Mit ihren stärksten und schönsten Pferden. Dick eingepackt, mit Pelzmütze, Fahrpelz und speziellen Filzstiefeln, lenkte der Bauer sein Pferdegespann durch den harschen Schnee.

Des Bauern ganzer Stolz: „Seine Pferde“

Ein besonderer und für viele unvergessener Zauber, ging von den abendlichen Schlittenfahrten aus. Bei Mondschein und einem über und übervollen Sternenhimmel mit unzähligen weiten und ganz nahen Sternen. Unter Sternen wie leuchtende Diamanten, glitt der Schlitten lautlos und von des Bauern schönsten Pferden gezogen, durch die schneebedeckte Landschaft. Nur ein zartes Glöckchen an eines der Pferdegeschirre befestigt, klang durch die Nacht.

Gern und voller Stolz präsentierte sich der Bauer mit seinen schönsten Trabern in der Öffentlichkeit. Mit der Bäuerin und den Kindern machte er gern Familienbesuche in den Nachbarkolonien.

bessarabien-im-winter.  Spaß für Jung und Alt

bessarabien-im-winter  Seiner oft großen Kinderschar widmete sich der Bauer an Nachmittagen mit einer närrischen Schlittenfahrt durch das Dorf.

In große Pelzdecken gehüllt zeigten die großen und kleinen Fahrgäste mit einem breiten Grinsen, ihre Freude an diesem Wintervergnügen.  bessarabien- im-winter. Pferde und davon hatte der Bauer mindestens zwei bis zehn oder mehr, waren sein bester und treuester Freund. Er verwöhnte sie mit bestem Futter und widmete sich der Pflege ihres glänzendes Felles.

Dieses Statussymbol vergleiche ich mit dem heutigen Stolz junger Männer oder Familienoberhäuptern jeden Alters, über ihren technischen Fahruntersatz unserer Zeit. Unvergessene Tage verbrachten die Kinder im Schnee, tummelnd auf dem Hof oder mit dem Schlitten auf der Straße. Auf den zugefrorenen sich durch das Tal schlängelnden Flüssen, vergnügten sich die Größeren beim Schlittschuhfahren.

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Silvester in Bessarabien

Was an Silvester in Bessarabien mit einem Abendgottesdienst mit Abendmahlfeier in ihren Kirchen geschah, war ein nicht nur feierliches, sondern  eindrucksvolles, erhebendes und hohes rituelles Erlebnis. silvester-in-bessarabien-2

Silvesterstimmung in einer KolonieAufbruch an Silvester in einer Kolonie

Um das „Heilige Mahl“ am letzten Abend des Jahres in ihren Gotteshäusern zu empfangen, versammelte sich die Gemeinde um den „Altar Gottes“. In schwarz gekleidete Kolonistenfrauen und Männer, brachten tief bewegt ihr Anliegen vor Gott. Gebete zur Vergebung der Sünden und Fürbitten um neue Kraft und Hoffnung für das kommende Jahr.

Bereit den Jahreswechsel zu vollziehen, versammelten sich kurz vor Mitternacht, in demutsvoller Haltung, auf dem freien Vorplatz ihrer Kirche, alle Gemeindeglieder erneut. Einsatzbereit hatte sich der Kirchenchor auf dem großen Treppenportal des Gotteshauses aufgestellt. Hoch droben im Kirchenturm wartete ebenfalls die Musikkapelle auf den Start. Unmittelbar vor Mitternacht war es dann soweit! Die Blaskapelle hatte ihren Einsatz. Vom Kirchturm herab und weit über das Land hinaus erklang das Jahresausklangslied. Unter lautem Glockengeläut erfolgte nun die Verabschiedung des alten Jahres. Demutsvolle Stille prägte die Versammlung während der anschließenden Schweigeminute, bis zwölf gewaltige Glockenschläge die ergreifende Stille durchdrang. Eine weitere Schweigeminute folgte.

Silvester in Bessarabien

Unter dem Einsatz von nun allen Glocken wurde das „Neue Jahr“, begleitet von lautem Chorgesang, willkommen geheißen. Im stillen Bewusstsein der „Gnade Gottes“ wurde in großer Hoffnung das neue Jahr begrüßt.

Unter diesen ergreifenden Eindrücken, löste sich die Gemeinschaft auf. Nach dem Austausch von besten Neujahrswünschen trat man den Heimweg an. Bis zum letzten Jahrzehnt vor der Umsiedlung, erfolgte der Ausklang dieses heiligen Rituals in ernster Besinnung, im Familien- und Freundeskreis,, .

Die Jugend und die Jäger ballerten und knallten auch in Bessarabien um die Wette. Dazu dienten selbstgefertigte Knallvorrichtungen, Schlüssel mit Nagelstöpseln oder Bolzen und Salpeter mit darin selbstgemachtem Pulver. Nur die Jugend feierte in der Neujahrsnacht im engeren Freundeskreis. Allerdings aber nur in wenigen Kolonistendörfern. vorfahren-weihnachten-in-bessarabien/

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Die für das neue Jahr überbrachten Glück- und Segenswünsche wurden am Neujahrstag von Besuchern aus den Nachbardörfern im Haus erwartet oder man begab sich selbst in befreundete Häuser.

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© 2017 Christa Hilpert-Kuch
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Vorfahren. Weihnachten in Bessarabien

So feierten unsere Vorfahren Weihnachten

Das verschneite Kirchenportal in Arzis lädt ein zur besinnlichen Einkehr, zum Weihnachtsfest Weiße Weihnacht in BessarabienVorfahren-Weihnachten-in-Bessarabien. Lebensformen wirken oftmals mehr als Gesetzesparagraphen im Zusammenleben verschiedener Völkerschaften, wie in Bessarabien. Religiöse Menschen haben Wertevorstellungen und diese nehmen eine wichtige Rolle in ihrer Lebensgemeinschaft ein. So war das Denken und Handeln in Bessarabien von tiefer Religiosität geprägt. Ihre Kirchen bildeten stets die größten Erhebungen in ihren Dörfern. Von ihren Kirchentürmen rief bis in die weite Steppe hinaus tief und dunkel die große Glocke, dann folgte die mittlere und zuletzt die kleinste Glocke, mit ihrem hellen Ton.

Ein ganz besonderer Höhepunkt in dem so arbeitsreichen Leben waren die Weihnachtsfeiertage für alle Familien in Bessarabien. Insbesondere für die Kinder, war die Adventszeit eine lange Zeit der Vorfreude auf das bevorstehende Fest. https://www.bessarabien.blog/silvester-in-bessarabien-2

Aber auch den Erwachsenen half die Freude auf ihr schönstes Fest des Jahres, ihr schweres und arbeitsreiches Leben zu ertragen und über so manche Sorgen des Jahres hinweg. Dann konnte man ausruhen und die Verwandten besuchen, gutes Essen kochen und Kekse für die Liebsten backen. Dafür wurde wirklich in vielen Häusern gespart! Wenigstens an Weihnachten wollte man füreinander da sein. Dann machte man gern Ausflüge mit dem Pferdeschlitten und Besuche von Haus zu Haus. Aber vor allem war es ein besonderes Fest für ihre großen Kinderscharen. Wenngleich das Angebot an Spielzeug nicht so umfangreich  war, so gab es doch viele Dinge, die ein Kinderherz erfreuten. Puppen, Tiere aus Porzellan und Stoff, Wiegen, kleine Möbel und vieles, vieles mehr…  Es war eine ereignisreiche und geheimnisvolle Zeit. Schon bereits im Oktober wurden Gänse und Schweine für das Fest geschlachtet. Im Dezember wurde wirklich einen ganzen Monat mit dem großen Backofen gebacken und gekocht. In jedem Haus duftete es nach Weihnachten, denn bis zu 15 Sorten Beigeles wurden in der Weihnachtsbäckerei hergestellt. Allerdings einen Adventskranz, so wie es bei uns Brauchtum ist,  haben die Bessarabiendeutschen damals nicht gekannt. Auf den Tannenbaum wollte man aber nicht verzichten. Voller Sehnsucht wurden von den Kindern die Weihnachtsgeschenke von „Doda und Döde“, ihren Paten, erwartet.

So war für so manchen kleinen Buben zwischen vier und sechs Jahren das Reitpferd der höchste Wunschtraum. Mit großer Ausdauer und Liebe wurde so ein Pferd entweder vom Vater selbst oder unter Mithilfe eines geschickten Bastlers aus Holz gefertigt und dann mit Kalbsfell bezogen. 

Weihnachtszauber in Bessarabien

Der Anblick des glanzvoll geschmückten Weihnachtsbaumes in der Kirche oder Zuhause verzauberte die Kindergesichter und ließ diese hell erstrahlen. Das Erscheinen des Christkinds mit seinem weißen Kleid und Schleier war der Höhepunkt des „Heiligen Abends“. Er wurde herbeigesehnt, denn es läutete die Bescherung ein. Rasselnde Kettengeräusche draußen vor der Haustür trieben so manchem Kind große Schauder über den Rücken. Es war der gefürchtete Pelzmärte – „ein roher Geselle“. Den braven Kindern legte er Äpfel und Nüsse unter das Fenster. Erst wenn die Kinder seinen Besuch unbeschadet überstanden hatten, konnten sie sich voller Freude ihren Geschenken und all den Kostbarkeiten, wovon man das ganze Jahr geträumt hatte, hingeben. Der erste Weihnachtstag war geprägt von Gottesdienst und Krippenspiel der Schüler. Am zweiten und dritten Weihnachtstag besuchte man sich gegenseitig und bewirtete die Gäste mit allem, was das jeweilige Haus hergab.

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Arzis

Torbogen am Fiedhof in Arzis/Bessarabien . Der Torbogen mit der Inschrift wie einst vor der Umsiedlung ist wieder aufgestellt                      

Arzis, Kolonie No. 14

am Tschaga und Kogälnik

Arzis/Bessarabien. Die Kolonie No. 14 an der Eisenbahnlinie von Leipzig bis Akkerman-Odessa.
Mit seinem einst dominierenden Markt, den Fabriken, Handwerksbetrieben und der Landwirtschaft war Arzis ein wirtschaftlich bedeutender Flecken in Bessarabien. Der alte Marktflecken Arzis war das Gebietsamt. Ebenfalls bildete die Waisenkasse den Mittelpunkt für die Dörfer Teplitz, Paris, Brienne und Gnadental. Arzis war das Zentrum von elf ehemaligen deutschen Muttergemeinden wie u.a. Alt Elft, Neu Elft, Paris, Friedenstal, Neu Arzis und Brienne.

Zur Erinnerung an den Sieg der verbündeten Mächte über Napoleon bei Arcis in Frankreich 1816, erhielt die Steppe No. 14 ihren Namen „Arzis“ zur Gründung.          Nur langsam wichen die Ansiedlerhütten aus Lehm und Strohgeflecht den mit Rohr gedeckten Steinhäusern in der Kolonie No.14. Erst nach den furchtbaren Heimsuchungen durch die Pest im Jahre 1829 und die Cholera im Jahre 1831 erfolgte der wirtschaftliche Aufschwung mit der inneren Erneuerung der Ansiedler.

Wegen der Bodenbeschaffenheit und Lage begann man in der Kolonie Arzis mit Wald-, Obst- und Rebenbepflanzungen. Gute Ernten waren die Folge, zufriedenstellend die Qualität der Früchte und des Weines.

4290 Deßjatinen / 5362,80 Hektar Land gehörte den Alt-Arzisern. Dieses bewirtschafteten sie mit Fleiß und Sparsamkeit und ermächtigte sie zum Kauf von 660 Deßjatinen fruchtbaren Ackerlandes auf der Bulgarensteppe, die weit bessere Ernten erbrachte.

Als Marktflecken war Arzis über die Grenzen Bessarabien bekannt. An Markttagen strömten von allen vier Himmelsrichtungen aus Wolhynien, Rumänien und Bulgarien die Wagen heran. Lebhaftes Markttreiben an jedem zweiten Dienstag des Monats und später sogar an jedem Dienstag. Es war der größte Pferdemarkt in ganz Südbessarabien. Die „hell klingenden“ Teplitzer Wagen waren in ganz Südrussland bekannt.

Arzis unter Wasser

Fast alljährlich trafen zwei Steppenflüsse, der Kogälnik mit seinen über die Ufer getretenen Wassermassen aus Leipzig kommend-  und der Tschaga wie ein reißender Gebirgsstrom aus Klöstitz, mit ihren gefährlichen Wassermassen in Arzis/Bessarabien  aufeinander. Mit tosender Gewalt führte er Eisschollen, Balken, Stroh und Maisstengelschober mit sich und versetzte die friedliche Kolonie Arzis in Angst und Schrecken. Dieses Ereignis hinterließ eine große Verwüstung.

Arzis/Bessarabien. Die Kolonie No. 14 an der Eisenbahnlinie von Leipzig bis Akkerman-Odessa

Mit ihrem guten Geschäftssinn erbauten die Arziser nach dem Ersten Weltkrieg  Geschäfts- bzw. Verkaufshäuser, wodurch gute Pachteinnahmen durch ihre Vermietung und die Einnahmen von Standgebühren durch die Marktständler erzielt werden konnten. Den Gemeindegliedern brachten diese Wirtschaftseinnahmen große Entlastungen, sodass die Gehälter der Pfarrer und Lehrer sowie sonstige Abgaben fortan von diesen zusätzlichen Einnahmen beglichen werden konnten.

Arziser Bahnhofsgebäude

BahnticketEisenbahnticket von Arzis nach Odessa für Christa Hilpert-KuchBahnticket von Arzis nach Odessa für Christa Hilpert-Kuch

Hilpert-Kuch löst sich ein Bahnticket-  am Bahnhof Arzis

Einen kolossalen wirtschaftlichen Aufschwung brachte der Bau der Eisenbahnlinie von Leipzig bis Akkerman im Jahre 1915. Arzis/Bessarabien bekam eine eigene Bahnstation.

Erfolgreich bahnte Arzis seinen Weg zur einer Wirtschaftsmacht, Industriezweige entwickelten sich aus dem Handwerk. Mit seinen Millionenumsätzen hatte der Wirtschaftsverband ab 1920 seinem Sitz in Arzis und somit das wirtschaftliche Zentrum des deutschen Siedlungsgebietes.

Vertreten mit Industrie und Handel, Fabriken zur Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen, Tuchfabrik und Färberei, Weberei, chemisches Labor, Tuchhandlung, Kurzwaren-, Uhren- und Musikfachgeschäft, Metzgereien, Lebensmittelgeschäft und Buchhandlungen.

Kirche Arzis

Bis zur Einweihung der ersten Kirche im Jahre 1838, wurde der Gottesdienst in Bauernhäusern abgehalten.

Erst im Jahre 1880 wurde eine geräumige Kirche im romanischen Stil mit 800 Sitzplätzen und einer großen Orgel erbaut. Die unübersehbaren Mauerpfeiler zur Einfriedigung der stattlichen Kirche, sind heute noch zu besichtigen.

Ebenso gehörte die Männerabteilung des Sarataer Alexander-Asyls zu Arzis. Das Männer-Asyl wurde im Jahre 1886 in Arzis errichtet und 1940, im Jahre der Umsiedlung, erweitert.

Eine hohe Priorität in Arzis/Bessarabien hatte das  fördernde Schulsystem. Bis zur Errichtung der ersten Schule im Jahre 1834, wurde in den Anfangsjahren in Bauernhäusern der Unterricht abgehalten. Schon im Jahre 1842 wurde diese erste Schule durch eine größere mit einer Lehrerwohnung ersetzt. Erweiterungsbauten folgten dann im Jahre 1859 und im Jahre 1891 mit einer zusätzlichen Küsterwohnung. Für sämtliche Lehrer wurde je eine eigene Wohnung errichtet.

Pastorat

Ein Beschluss der Gemeinde im Jahre 1930 führte zu einem mitten im Dorf erbauten großen Schulgebäude, mit sechs Klassen.

Eine beachtliche Anzahl von 17 Lehrkräften wurden im Jahre 1940 gezählt. Hinzu kam in den Räumen des ehemaligen Gebietsamtes die „Landwirtschaftliche Schule“, für die Ausbildung junger Bäuerinnen und Bauern in Bessarabien.

Mit Tatkraft und Weitblick und einer fast ununterbrochener Bautätigkeit erlangte Arzis/Bessarabien seine Größe und Bedeutung.

 

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Handwerk im „Bauernland Bessarabien“

Landwirtschaftliche Geräte

Landwirtschaftliche Geräte im „Bauernmuseum Kelm“ in Friedenstal Bessarabien

Handwerk  im  „Bauernland Bessarabien“

Erst in den 1840-er Jahren, den schwierigsten zwei Jahrzehnten nach der Ansiedlung, löste der eiserne Pflug den hölzernen für den schweren Boden ab. Vor allen anderen Volksstämmen verfügten die deutschen Kolonisten in Russland über diese neue eiserne Errungenschaft zur Arbeitserleichterung. Das Handwerk:  Noch wurde mit der Hand gesät. Aber die ersten Sä- und Mähmaschinen zählten erst in den 1870-er Jahren durch das Handwerk  zum festen Bestandteil der Bauernhöfe. Sie lösten dann auch die Sichel und die Sense auf dem Feld ab.

In Anbetracht der hohen Anforderungen an die Landwirtschaft mit der Erzeugung aller Rohstoffe für Kleidung, Nahrung und Wohnung der Kolonisten, nahm die Entwicklung in der Folge der Ansiedlungsjahre im Handwerk einen kolossalen Aufschwung. Unterschiedliche Gewerke bildeten sich.   Es sprudelte nur so von Ideen und Erneuerungen im Handwerk und eine ebenfalls aus dieser Not geborene Technik erfasste die Industrie. Das Gewerbe stieg explosionsartig an.  Weit über die Landesgrenzen hinaus waren die Erzeugnisse des deutschen Handwerks in Russland gefragt. Insbesondere die Wagenbauer von Teplitz, Alt Posttal und Wittenberg waren während der russischen Zeit über Südrussland und die Krim bis in den Kaukasus hinein bekannt. Gefolgt von den Gabelmachern von Paris und den Leitermachern aus Neu- und Alt-Elft.

Die Windmühle war zur Zeit der Ansiedlung bekannt. Die deutschen Kolonisten versuchten aber schon sehr früh, diese durch Pferde oder Bodenmühlen zu ersetzen. Da aber die Dampfmühle von den Kolonisten bevorzugt wurde konnten diese sich nicht durchsetzen.  In der Gemeinde Beresina befand sich mit 10 Walzenstühlen die zweitgrößte Mühle Bessarabiens, gefolgt von der Gemeinde Arzis. In den meisten Mühlen befand sich auch eine Oelpresse. Die größten Mühlen waren in Chisinew, Akkermann, Ismail u.a..

Das Handwerk: Gewerbe und Industrie besaßen sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten

Kleinbetriebe wie Branntweinfabriken (Weizenbrennereien, Obst- und Weintraubenbranntwein, Brauereien, Sägewerke, Gerbereien, Töpfereien, Ziegeleien u. m.) konnten sich entfalten.  Ebenfalls bildeten sich Kleinbetriebe, wie Mechanikerwerkstätten in der Metallverarbeitung.  Allerdings nur drei große namhafte Fabriken für landwirtschaftliche Maschinen zählte Bessarabien zu der Zeit der Umsiedlung im Jahre 1940.

Viele Tuchfabriken entstanden um die Jahrhundertwende und zogen eine ansehnliche Zahl von Walkereien und Färbereien nach sich. Dort wurde die heimische Wolle aus der umfangreichen Schafhaltung verarbeitetet.

Weinverarbeitung in der Ausstellung im „Bauernmuseum Kelm“ in Friedenstal

Weinpressen, Traubenmühlen, Putzmaschinen, Maissetzer, Maisrebbler und Mähmaschinen wurden in kleineren deutschen Maschinenfabriken hergestellt.       Den Mittelpunkt der deutschen Industrie in Bessarabien bildeten die Gemeinde Tarutino gefolgt von Arzis und Sarata.

Diese „unsere Vorfahren“  bestanden eine beispiellose handwerklich- und technische Herausforderung und wurden damit zur „tragenden Säule Bessarabiens“.

Mit dem Ziel der Allgemeinheit den Reichtum Bessarabien zu zeigen fand bereits im Jahre 1925 in Chisinau eine bedeutende landwirtschaftliche Industrie-ausstellung durch die Handelskammer Chisinau statt. Mit einem ungeahnten Erfolg wurden über 300 000 Besucher registriert. Die Ausstellung konnte dadurch beachtlich zur Belebung der ökonomischen Bindungen mit den anderen Landesstellen Rumäniens beitragen.

Webstuhl in Bessarabien

Webstuhl im „Bauernmuseum Kelm“ in Friedenstal

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