Erinnerungskultur

ALT ELFT UND NEU ELFT

Alt-Elft Oberdorf mit einer 40 Meter breiten HauptstraßeErinnerungskultur – Alt und Neu Elft. Als deutsche Auswanderer zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts nach Bessarabien am Schwarzen Meer zogen, erfolgten die ersten Ansiedlungen im südlichen Teil Russlands , dem sogenannten Budschak. Diese neuen Kolonien wurden bei Gründung ab dem Jahre 1814 nach Zahlen benannt. So wurde im Jahre 1816 auf der Gemarkung Nummer 11 im Kogälniktal, die „Kolonie Alt- mit Neu Elft“ gegründet.

Erinnerungskultur Bessarabien

Auf Befehl des Zaren erhielt die Kolonie Nummer 11 den Namen „Fere-Champenoise I/ Sadove“. Dieser Name erinnerte an die große Schlacht Napoleons gegen die Westarmeen Preußens, Russlands und Österreichs, die damals Napoleon nach Fere-Champenoise in Frankreich zurückdrängten. Die ersten 126 Ansiedlerfamilien stellten sich allerdings gegen den Wunsch des Zaren Alexander I und forderten erfolgreich den Namen Alt- und Neu Elft zurück.

BESTES LAND UNTER MANNSHOHEM STEPPENGRAS

Da ihre fruchtbaren Felder und Weideflächen in südöstlicher Richtung zu weit entfernt lagen, wurde die Gemeinde geteilt. So konnten beschwerliche und zeitraubende Wege umgangen werden. Die Teilung Alt Elfts wurde über die geraden und ungeraden Hausnummern entschieden. Bewohner mit geraden Hausnummern wie 2, 4, 6…, wurden daraufhin nach einem Beschluss einer Bürgerversammlung ausgewählt „Alt Elft“ wieder zu verlassen.

Erinnerungskultur Bessarabien

Die nur kurz zur Ruhe gekommenen Ankömmlinge mussten sich schweren Herzens aus der Gemeinschaft lösen. Voller Trauer verließen sie die Kolonie. Ein schmaler Weg über eine Anhöhe führte den kleinen Treck in das dahinterliegende Tal mit dem Steppenflüsschen „Alliaga“ – nach „Neu-Elft“. Ihr neues Siedlungsland lag nur einen Steinwurf und durch einen Hügel getrennt von Alt-Elft.

Bei der Urbarmachung ihres Siedlungslandes erfuhren die Siedler große Entbehrungen und Leid auf allen Ebenen ihres Lebens. Hohe Verluste durch Missernten folgten in den Jahren 1823, 1830, 1867, 1899 und 1904 und eine der stärksten Heuschreckenplage im Jahre 1875.

Erdhütten boten Schutz vor Kälte

Ihren ersten Erdhütten folgten bald menschenwürdige Behausungen aus Lehmbatzen, Schilf und Rohr. Diese bildeten den Übergang zu den später stattlichen und massiven Häusern aus Muschelkalk. Mit großem Eifer widmeten sich die Bewohner Alt- und Neu-Elfts ihrem Haupterwerb, der Landwirtschaft.

Schnell erkannten sie in dem fruchtbaren Boden unter der wilden Steppe und der sonnigen und besonderen Hanglage ihre Chance für den Weinbau und Obstanbau. Bis 1848 legten die Bewohner beträchtliche Weingärten mit 155 000 Weinstöcken an und ebenso rasch erfolgte der Aufbau großer Obstplantagen mit Apfel, Pflaumen, Aprikosen, Nuss, Birnen, Kirsch, Pfirsich und Maulbeerbäumen. Mit ihren wohl best gepflegten Obstgärten und einer so geschlossenen Dorfgemeinschaft, gelang es ihnen herausragende Weine aus besten Trauben bis in das innere Russlands zu führen und zu einer wichtigen Einnahmequelle zu machen.

Mit tüchtigen Handwerkern insbesondere für die Landwirtschaft, einer Dampfmühle, zwei Windmühlen, einer Ölmühle, einer Genossenschafts- und Privatmolkerei, u.a. Leitermacher (Wagenleitern), Schuster, Metzger, Steinmetzen, Schneider, sowie einer Holzhandlung trugen sie im wirtschaftlichen sowie industriellen Zweig zu einer guten Infrastruktur bei. Gleichfalls entwickelte sich in den beiden Gemeinden neben einem Bläser- und Kirchenchor, ein Frauen- und Bildungsverein und zwei Sportplätze.

Eine mächtige Kirche mit 800 Sitzplätzen war die Zierde ihres Dorfes

Erinnerungskultur: Alt-und Neu-Elft war eine sehr lebendige Kirchengemeinde. In den Jahren 1894 bis 1896 erfolgte ein neuer großer Kirchenbau, mit einer Einweihungsfeier am 6. Oktober 1896. An den Sonntagnachmittagen wurden in sechs Versammlungen Gebetsstunden abgehalten. Auch rege Jugendgemeinschaften nahmen an den Stunden- und Gottesdiensten teil. Dieser Gemeinschaftssinn führte zur Erweckung zahlreicher Gemeindeglieder. Darunter viele Jugendliche. Gleich nahe der Kirche, auf der gegenüberliegenden 40 m breiten Straßenseite, befand sich das neue Rathaus und das neue Schulhaus für 300 Schüler mit den Lehrerwohnungen.

Neu-Elft entwickelte sich zu einer Vorzeigegemeinde von besonderem Niveau und war später „Alt-Elft“ in jeglicher Hinsicht weit überlegen. Gegenüber allen anderen Siedlungsgemeinden bildete sich hier eine herausragende Besonderheit ihrer ureigenen Mundart aus schwäbisch, hochdeutsch und plattdeutsch. Nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahre 1874 und besonders auch um und nach der Jahrhundertwende, setzten Auswanderungswellen nach Übersee ein.

Beinahe unverändert: Die Schule Alt-Elft im Jahre 2015 bei meinem Besuch (oben) und siehe unteres Bild – vor der Umsiedlung

 
Im Jahre 2015 führte mich, Christa Hilpert-Kuch,  mein Weg quer durch Bessarabien und auch zu diesen beiden Gemeinden, Alt- und Neu Elt. Im Dorfmittelpunkt finde ich den hohen Kirchturm der ehemaligen Kirche abgetragen und im Korpus das heutige Kulturhaus in seiner Verwendung. Im Inneren probte gerade ein Kinderchor für eine Theateraufführung. Bei meinem Besuch im Jahre 2015, war beinahe jedes Haus noch so gut erhalten, wie es einmal von den Deutschen Bewohnern aus Muschelkalkstein errichtet wurde.

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