Industrie

Industrie und Technik in Bessarabien

Von der Scholle zur Industrialisierung: Durch den wirtschaftlichen Aufschwung und die industrielle Entwicklung in den Kolonien, fand im Jahre 1925 in Kischineff (Chisinau), der Hauptstadt Bessarabiens, eine bedeutende landwirtschaftliche Industrie-Ausstellung statt. Ein ungeahnter Erfolg von über 300 000 Besuchern war die Folge. Diese Anerkennung trug zu einer beachtlichen Belebung einer ökonomischen Bindungen mit anderen Landesteilen Rumäniens bei und diente dem Ziele der Allgemeinheit die Reichtümer Bessarabiens, nach der Vereinigung mit Rumänien aufzuzeigen. Im Gebiet des Budschaks war der größte Reichtum sein humusreicher und fruchtbarer Boden. Trotz einiger Dürreperioden und Insektenplagen entwickelte sich eine im Laufe der Jahrzehnte auf Überproduktion orientierte und intensiv betriebene Landwirtschaft. Diese legte den Grundstein für die Entwicklung einer nicht unbedeutenden handwerklichen Industrialisierung durch technischen Fortschritt in den bessarabiendeutschen Kolonien. Mit einem Freihafen, dem „Tor zur Welt“, erbot sich vor dem Ersten Weltkrieg die russische Handels- Industrie- und Hafenstadt Odessa, am Schwarzen Meer, als ideale Metropole für den Güter-Export Bessarabiens und Anrainerstaaten. Das rasche Wachstum, der jungen Hafen- Industrie- Banken -und Handelsstadt Odessa, verdankt sie der glücklichen Entwicklung dieser Handelswege. https://www.bessarabien.blog/oekonomie-dahoam-in-bessarabien/

Industrielle Mühlenwirtschaft

Den Anfang der industriellen Entwicklung in Bessarabien machten die Windmühlen um die Jahre 1880. Das war der Beginn! Schon bald ließen weitere Entwicklungsschritte wie die der noch leistungsfähigeren Dampfmühle nicht lange auf sich warten. Diese entwickelten sich zu Handelsmühlen und gingen in eine vollautomatische Hochmüllerei mit sieben doppelten Walzenstühlen und einer Tagesleistung von 30 Tonnen über. In Beresina gründete sich im Jahre 1924 eine Handelsmühle in Form einer Aktiengesellschaft. Mittels Anschaffung einiger Walzenstühle konnte die Tagesleistung in dieser Mühle auf 45 Tonnen gesteigert werden. Weitere Mühlen in Form einer Kommanditgesellschaft für Rohstoffe aus Weizen und sonstigem Getreide waren die Folge. So u. a. in Arzis, Leipzig, Borodino, Klöstitz, Neu Sarata, und Tarutino.

Der Rohstoff Wolle

Industrie: Die Planung weiterer Fabriken war unumgänglich. Durch die intensive Schafzuchthaltung mit dem wachsenden Rohstoff „Wolle“ entstand in Tarutino im Jahre 1888, vorerst in bescheidenem Umfang, eine Tuchfabrik https://www.bessarabien.blog/tarutino welcher sich im Jahre 1926 eine Spinnerei und Weberei angliederte. Die Anzahl der herbeiströmenden Kunden steigerte sich bis zu 50 000 im Jahr. Auf dem neuesten Stand der Technik, mit Verkaufsfilialen in größeren Orten und eigenen Handelsvertretern entfaltete sich dieses Unternehmen zum größten und modernsten Industriebetrieb in ganz Bessarabien. Nicht nur die deutsche Bevölkerung Bessarabiens, sondern auch die russische und bulgarische kamen von weit her, um dort ihre Tuche walken und färben zu lassen. Aus diesem vorbildlich geführten Betrieb gab es Nachahmer in anderen Kolonien, wie in Arzis und eine weitere in Tarutino. Vorausschauende Industriezweige wie der Vertrieb von Strickmaschinen, welche sich zu einem Netz von Strickereien ausbaute, waren die Folge. Durch die Ablösung des Handwebstuhles entstand noch eine weitere Tuchfabrik in Teplitz. Der ungebremste Piniergeist der rührigen Tarutinoer Fabrikanten setzte sich in weiteren Gründungen wie einer hydraulischen Oelmühle und einer Ziegelei fort.

Gründungen von Maschinenfabriken

Durch die Entwicklung und Konstruktion eigens an die örtlichen Verhältnisse angepassten landwirtschaftlichen Maschinen und Gerätschaften nahmen kleine Handwerksbetriebe den Kampf mit den ausländischen Erzeugern für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte auf. So gelang es dadurch einer Maschinenfabrik in Arzis mit den Standart-Erzeugnissen ausländischer Fabrikanten gut zu konkurrieren. Die älteste und größte Maschinenfabrik in Bessarabien wurde im Jahre 1884, aus kleinen Anfängen, mit einer Reparaturwerkstatt in Sarata gegründet. Über einen Generationswechsel stieg die Mitarbeiterzahl auf 200 Personen an. Ein unbeschränktes Absatzgebiet dieser Maschinen erfolgte bis in die weiten Gebiete Süd-Russlands. Mit einem erweiterten Produktionsprogramm gelang es ihnen, durch die Einengung des Absatzgebietes nach dem Ersten Weltkrieg, den rumänischen Markt zu erobern. Getreidemäher, Sämaschinen, Maisrebbler, Putzmühlen, Weinpressen, Pflüge, Eggen, Häckselmaschinen, Rübenschneider und weitere landwirtschaftliche Maschinen zählten zu ihrer Produktionspalette. Aus dem Leistungspotential dieser metallverarbeitenden Fabrik ging außerdem noch eine Zylinderbohr- und Schleifanlage hervor.

Diese wirtschaftlichen Erfolge waren Vorbild und Ansporn für die Nachfolge-Generation und führte zur Erweiterung eines neuen Zweiges mit der Neugründung einer Schreinerei, im Jahre 1925. Dieser folgte schon im Jahre 1929 die Gründung eines Schlossereibetriebes und im Jahre 1931 die Angliederung einer Gießerei für die Herstellung von Getreidemähern, Putzmühlen, Drillmaschinen, Maissetzern und anderen landwirtschaftlichen Maschinen. Nach der Gründung einer Eisengießerei im Jahre 1938 wurde durch die Umsiedlung der Bessarabiendeutschen, im Jahre 1940, die weitere betriebliche Entwicklung gestoppt. Die Erzeugnisse dieser Fabrik fanden im ganzen Osten Rumäniens Absatz. Zu den industriellen Errungenschaften der Deutschen in Bessarabien gehörten u. a. eine Bierfabrik, Kinos, Genossenschaften, Banken, Zeitungswesen, Rechtsanwaltskanzleien, Eisenbahnnetz und die Gründung einer Bade- und Heilanstalt am Schwarzen Meer „Bad Burnas“.

Bad Burnas“ am Schwarzen Meer

Die Bade- und Heilanstalt wurde von unseren Vorfahren durch eine Privatinitiative und dann in Form einer eigens für diesen Zweck entstandenen Aktiengesellschaft im Jahre 1925 gegründet. Es wurde zu einem kleinen Paradies an einem kilometerlangen goldgelben Sandstrand mit dem Heilschlamm aus dem angrenzenden Salzsee. Dieses Heilbad an der Steilküste diente vorrangig als Erholungszentrum für kranke und erholungsbedürftige Erwachsene und Kinder. Es wurde auch für sommerliche Freizeitvergnügen von der deutschen Bevölkerung genutzt. Dieses „Filetstück“ in „Bad Burnas“ war eine besondere Oase Bessarabiens.

Bad Burnas, Steilküste am Schwarzen Meer, Bessarabien

Bad Burnas, Steilküste am Schwarzen Meer, Bessarabien

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Arzis

Torbogen am Fiedhof in Arzis/Bessarabien . Der Torbogen mit der Inschrift wie einst vor der Umsiedlung ist wieder aufgestellt                      

Arzis, Kolonie No. 14

am Tschaga und Kogälnik

Arzis/Bessarabien. Die Kolonie No. 14 an der Eisenbahnlinie von Leipzig bis Akkerman-Odessa.
Mit seinem einst dominierenden Markt, den Fabriken, Handwerksbetrieben und der Landwirtschaft war Arzis ein wirtschaftlich bedeutender Flecken in Bessarabien. Der alte Marktflecken Arzis war das Gebietsamt. Ebenfalls bildete die Waisenkasse den Mittelpunkt für die Dörfer Teplitz, Paris, Brienne und Gnadental. Arzis war das Zentrum von elf ehemaligen deutschen Muttergemeinden wie u.a. Alt Elft, Neu Elft, Paris, Friedenstal, Neu Arzis und Brienne.

Zur Erinnerung an den Sieg der verbündeten Mächte über Napoleon bei Arcis in Frankreich 1816, erhielt die Steppe No. 14 ihren Namen „Arzis“ zur Gründung.          Nur langsam wichen die Ansiedlerhütten aus Lehm und Strohgeflecht den mit Rohr gedeckten Steinhäusern in der Kolonie No.14. Erst nach den furchtbaren Heimsuchungen durch die Pest im Jahre 1829 und die Cholera im Jahre 1831 erfolgte der wirtschaftliche Aufschwung mit der inneren Erneuerung der Ansiedler.

Wegen der Bodenbeschaffenheit und Lage begann man in der Kolonie Arzis mit Wald-, Obst- und Rebenbepflanzungen. Gute Ernten waren die Folge, zufriedenstellend die Qualität der Früchte und des Weines.

4290 Deßjatinen / 5362,80 Hektar Land gehörte den Alt-Arzisern. Dieses bewirtschafteten sie mit Fleiß und Sparsamkeit und ermächtigte sie zum Kauf von 660 Deßjatinen fruchtbaren Ackerlandes auf der Bulgarensteppe, die weit bessere Ernten erbrachte.

Als Marktflecken war Arzis über die Grenzen Bessarabien bekannt. An Markttagen strömten von allen vier Himmelsrichtungen aus Wolhynien, Rumänien und Bulgarien die Wagen heran. Lebhaftes Markttreiben an jedem zweiten Dienstag des Monats und später sogar an jedem Dienstag. Es war der größte Pferdemarkt in ganz Südbessarabien. Die „hell klingenden“ Teplitzer Wagen waren in ganz Südrussland bekannt.

Arzis unter Wasser

Fast alljährlich trafen zwei Steppenflüsse, der Kogälnik mit seinen über die Ufer getretenen Wassermassen aus Leipzig kommend-  und der Tschaga wie ein reißender Gebirgsstrom aus Klöstitz, mit ihren gefährlichen Wassermassen in Arzis/Bessarabien  aufeinander. Mit tosender Gewalt führte er Eisschollen, Balken, Stroh und Maisstengelschober mit sich und versetzte die friedliche Kolonie Arzis in Angst und Schrecken. Dieses Ereignis hinterließ eine große Verwüstung.

Arzis/Bessarabien. Die Kolonie No. 14 an der Eisenbahnlinie von Leipzig bis Akkerman-Odessa

Mit ihrem guten Geschäftssinn erbauten die Arziser nach dem Ersten Weltkrieg  Geschäfts- bzw. Verkaufshäuser, wodurch gute Pachteinnahmen durch ihre Vermietung und die Einnahmen von Standgebühren durch die Marktständler erzielt werden konnten. Den Gemeindegliedern brachten diese Wirtschaftseinnahmen große Entlastungen, sodass die Gehälter der Pfarrer und Lehrer sowie sonstige Abgaben fortan von diesen zusätzlichen Einnahmen beglichen werden konnten.

Arziser Bahnhofsgebäude

BahnticketEisenbahnticket von Arzis nach Odessa für Christa Hilpert-KuchBahnticket von Arzis nach Odessa für Christa Hilpert-Kuch

Hilpert-Kuch löst sich ein Bahnticket-  am Bahnhof Arzis

Einen kolossalen wirtschaftlichen Aufschwung brachte der Bau der Eisenbahnlinie von Leipzig bis Akkerman im Jahre 1915. Arzis/Bessarabien bekam eine eigene Bahnstation.

Erfolgreich bahnte Arzis seinen Weg zur einer Wirtschaftsmacht, Industriezweige entwickelten sich aus dem Handwerk. Mit seinen Millionenumsätzen hatte der Wirtschaftsverband ab 1920 seinem Sitz in Arzis und somit das wirtschaftliche Zentrum des deutschen Siedlungsgebietes.

Vertreten mit Industrie und Handel, Fabriken zur Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen, Tuchfabrik und Färberei, Weberei, chemisches Labor, Tuchhandlung, Kurzwaren-, Uhren- und Musikfachgeschäft, Metzgereien, Lebensmittelgeschäft und Buchhandlungen.

Kirche Arzis

Bis zur Einweihung der ersten Kirche im Jahre 1838, wurde der Gottesdienst in Bauernhäusern abgehalten.

Erst im Jahre 1880 wurde eine geräumige Kirche im romanischen Stil mit 800 Sitzplätzen und einer großen Orgel erbaut. Die unübersehbaren Mauerpfeiler zur Einfriedigung der stattlichen Kirche, sind heute noch zu besichtigen.

Ebenso gehörte die Männerabteilung des Sarataer Alexander-Asyls zu Arzis. Das Männer-Asyl wurde im Jahre 1886 in Arzis errichtet und 1940, im Jahre der Umsiedlung, erweitert.

Eine hohe Priorität in Arzis/Bessarabien hatte das  fördernde Schulsystem. Bis zur Errichtung der ersten Schule im Jahre 1834, wurde in den Anfangsjahren in Bauernhäusern der Unterricht abgehalten. Schon im Jahre 1842 wurde diese erste Schule durch eine größere mit einer Lehrerwohnung ersetzt. Erweiterungsbauten folgten dann im Jahre 1859 und im Jahre 1891 mit einer zusätzlichen Küsterwohnung. Für sämtliche Lehrer wurde je eine eigene Wohnung errichtet.

Pastorat

Ein Beschluss der Gemeinde im Jahre 1930 führte zu einem mitten im Dorf erbauten großen Schulgebäude, mit sechs Klassen.

Eine beachtliche Anzahl von 17 Lehrkräften wurden im Jahre 1940 gezählt. Hinzu kam in den Räumen des ehemaligen Gebietsamtes die „Landwirtschaftliche Schule“, für die Ausbildung junger Bäuerinnen und Bauern in Bessarabien.

Mit Tatkraft und Weitblick und einer fast ununterbrochener Bautätigkeit erlangte Arzis/Bessarabien seine Größe und Bedeutung.

 

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